Stolz und mächtig ragt die Loreley, eine gewaltige
Felsmasse, in das Rheintal. Der Meistersinger Marner berichtet bereits im
13. Jahrhundert: "Der Nibelungen
Hort lit in dem 'Lurlenberge'."
WA Früh rankt es eine Sage um den Berg. Der Humanist und gekrönte
Dichter Konrad Pickel, genannt Celtes, erwähnt es schon 1502 in einem
Distichon, und der gelehrte Geschichtsforscher Marquard Freher des 16. Jahrhunderts
berichtet in seinen Origines palatinae, daß nach dem Dichter Konrad
Marner des 13. Jahrhunderts in dem Lurlenberg oder der Lurelei der Nibelungenhort
aufbewahrt werde.
GH
Wer das Glück hat, beim
Sonnenuntergang, wenn die Abendröte die Bergesspitze golden bemalt,
oder im Mondenschein, wenn gespensterhafte Schatten den schroffen Berg umspielen,
den Anblick des Lurleifelsens zu genießen, der glaubt auf dem hohen
Bergesgipfel die schöne Jungfrau, von der die Sage erzählt, zu
schauen. HK Auch den Schiffer kann er sehen. Zum
Fischfange zieht er hinauf auf den Strom. In dem kühlen, wenig von
der Sonne erwärmten Wasser am Loreleyfelsen hält sich mit Vorliebe
der Salm, der beste, schmackhafteste und teuerste aller Rheinfische, auf.
Dort lockt den Fischer ein guter Gewinn, und mancher mag beim Fischfange
die verborgenen Felsklippen nicht genug beachtet haben. Aber die Sage vergoldet,
gleich dem Abendrot, das golden die Spitze des Loreleyfelsens malt, in einem
sinnigen Bilde den ernsten Zug des Fischerlebens. Sie läßt den
jungen Fischer lauschen auf das liebliche Singen, das geheimnisvoll, mit
gewalt'ger Melodei, von der umgoldeten
Bergesspitze herniederklingt. HK
"Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar,
Ihr goldnes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr goldenes Haar.
Sie kämmt es mit goldenem Kamme
Und singt ein Lied dabei,
Das hat eine wundersame,
Gewalt'ge Melodei.
Den Schiffer im kleinen Schiffe
Ergreift es mit wildem Weh,
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur hinauf in die Höh'
Ich glaube, am Ende verschlingen
Die Wellen noch Schiffer und Kahn,
Und das hat mit ihrem Singen
Die Loreley gethan."
(Heine) |
Eduard Jakob von Steinle
- Die Loreley und der betörte Schiffer
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HEINRICH HEINE
Ich weiß
nicht, was soll es bedeuten,
Daß ich so traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.
Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fließt der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.
Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar,
Ihr goldnes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr goldenes Haar.
Sie kämmt es mit goldenem Kamme,
Und singt ein Lied dabei;
Das hat eine wundersame,
Gewaltige Melodei.
Den Schiffer im kleinen Schiffe
Ergreift es mit wildem Weh;
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur hinauf in die Höh.
Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn;
Und das hat mit ihrem Singen
Die Loreley getan.
RE |
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Daß ich so traurig bin,
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.
Zwei Dichter haben
zusammengewirkt, dem deutschen Volke ein Lied zu schenken, welches dem Charakter
dieses Volkes so vollkommen angepaßt ist, daß es zum wahren
Volkslied geworden ist.
Brentano ist der freie Erfinder der Sage, Heine hat sie in die endgültige
sentimental-romantische Fassung gebracht. GH Die Sage von der Jungfrau Loreley entstand
erst durch Clemens Brentanos Romanze "Lore Lay" (Jena 1800) und
wurde mit dem Lied von Heinrich Heine (1823) und der Melodie von Friedrich Silcher (1838) bekannt.
WA In seinem "verwilderten" Roman Godwi von 1801 hat Brentano nach dem Brauch der romantischen
Zeit eine Ballade eingefügt, die folgendermaßen beginnt: Zu Bacharach am
Rheine wohnt' eine Zauberin,
Die war so schön und feine und riß viel Herzen hin,
Und machte viel zuschanden der Männer rings umher,
Aus ihren Liebesbanden war keine Rettung mehr! Der Zauber dieses bald
Lore, bald Lorelei genannten Wesens aber liegt nur in ihren Augen, sie ist "nur ein unglückliches
Menschenkind" und nichts weniger als eine Nixe. Aber mit ihren Augen betört
sie die Männer und wird deshalb von einem geistlichen Gericht wegen
Zauberei in ein Kloster verwiesen. Sie aber stürzte sich von dem Felsen,
der seitdem ihren Namen trägt, in den Rhein. Der Inhalt der Ballade ist freie Erfindung des
Dichters, das hat er selbst wiederholt gesagt. In seinem Märchen (1824) hat er dann den Stoff der Sage
erheblich erweitert.
Im "Müller Radlauf" wird von Frau "Lureley der Zauberin" erzählt, daß
sie im Rhein in einem prächtigen Schlosse als Wasserfee mit ihrem Vater
Widerhall, ihren Geschwistern Echo, Akkord und Reim und ihren sieben Töchtern
wohnt und den hier versenkten Nibelungenhort behütet. GH
Endlich ist die Lurlei in Brentanos
"Märchen vom Hause Staarenberg" zur vollständigen
Rheinnixe mit menschlichen Zügen geworden, wie sie uns Heine in seinem
1823 entstandenen Gedicht vorführt. Die Ähnlichkeit beider Fassungen ist so groß, daß
eine Entlehnung unbedingt stattgefunden haben muß. Ob Heine aus dem
Manuskript Brentanos geschöpft hat, oder ob dieser nach dem inzwischen
erschienenen Heineschen Gedichte seine Fassung geändert hat, ist nicht
festzustellen. GH
Dem Text des Heineschen Gedichtes
hat Friedrich Silcher die schwermütige Melodie unterlegt, die zum erstenmal
1839 erschien.
Sie ist aber nicht sein Original, sondern
findet sich in ganz ähnlicher Weise schon 1746 für das Lied "Die unzufriedene Sylvia" von Adolf Karl Kuntzen und in
einer ganzen Reihe weiterer Lieder des 18. Jahrhunderts; auch in dem Rondo
für Klavier, das Beethoven in seinem 14. Jahre schrieb, prägt
sich in den ersten Takten die Ähnlichkeit mit der Lurlei-Melodie unverkennbar
aus. GH Den von E. Geibel 1846 vollendeten Operntext "Lorelei" hat Felix Mendelsohn teilweise
komponiert, bis ihm der Tod 1847 die Feder aus der Hand nahm. Geibel veröffentlichte
das Libretto erst 1860, worauf viele Komponisten sich daran versuchten.
Max Bruch, damals zweiundzwanzigjährig und noch ganz unbekannt, komponierte
die ganze Oper neu und erhielt nach anfänglicher Weigerung Geibels
1862 die Erlaubnis zur Aufführung, die dann auch 1863 zuerst in Mannheim,
dann in Köln, Hamburg, Leipzig, Weimar, Prag, Rotterdam, Coburg usw.
stattfand. Heute ist das Werk, trotzdem sich Hans Pfitzner in neuester Zeit
dafür einsetzte und 1916 Aufführungen in Straßburg erreichte,
vergessen, auch in einer Neubearbeitung von 1887.
GH
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Vor
Heine hat Graf Otto Heinr.v.Loeben (1821) die Loreleifrage ähnlich behandelt:
Der Lurleyfels
Da, wo der Mondschein
blitzet
Ums höchste Felsgestein
Das Zauberfräulein sitzet,
und schauet auf den Rhein.
Es schauet herüber,
Es schauet hinab, hinauf,
Die Schifflein ziehen vorüber,
Lieb' Knabe, sieh' nicht
auf.
Sie singt dir
hold zum Ohre,
Sie blickt dich töricht an,
Sie ist die schöne Lore,
Sie hat's dir angetan.
Sie schaut wohl
nach dem Rheine,
Als schaute sie nach dir.
Glaub's nicht, daß sie dich
meine,
Sieh' nicht, horch nicht nach ihr!
So blickt sie wohl nach
allen
Mit ihrer Augen Glanz,
Läßt her die Locken wallen
Im wilden goldnen Tanz.
Doch wogt in
ihrem Blicke
Nur blauer Wellen Spiel.
Drum scheu die Wassertücke,
Denn Flut bleibt falsch und kühl!
GH |
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ADELHEID
VON STOLTERFOTH
Königin Lurley
Hoch auf ew'gem Gletschereise
Thront der alte König Rhein,
Sammelt dort auf gleiche Weise
Den Tribut des Himmels ein;
Sammelt von der Erde Quellen
Mächt'ge Ströme für sein Reich,
Und entsendet ihre Wellen
Immer voll und immer gleich.
Lurley seiner
Töchter Eine
Wohnt im schönsten Felsental,
Aber Berge, Strom und Haine
Wurden Zeugen ihrer Qual.
Einen Ritter schön und blühend,
Liebte sie mit tiefer Glut,
Er, in andrer Liebe glühend,
Floh die Königin der Flut.
Wieder einmal
aus den Tiefen
Taucht ihr sanftes Angesicht,
Und die langen Locken triefen,
Goldne Flut im Mondenlicht;
Halb enthüllet vom Gewande
Steigt empor das hehre Weib,
Wellen zittern bis zum Strande
Wie sich hebt der Schwanenleib.
Und sie horcht
ob alles stille
An den Ufern, auf der Flut,
Ob die Nacht den Berg umhülle,
Ob das Tal in Frieden ruht.
Dann in traurig süßer Weise
Atmet ihre Brust Gesang,
Und ein Lied entwallet leise
Wie der Äolsharfe Klang.
Aber in des Lurley
Klüften
Sind melod'sche Geister wach,
Und verschwebend in den Lüften,
Hallt es wider zwanzigfach.
Aus den Schachten schlüpft der Gnome,
Rollt wie Nebel von dem Berg,
Und der Elfe lauscht am Strome,
Und es lauscht der schwarze Zwerg.
Was sie singt
sind tiefe Klagen,
Wie ihr einsam glühend Herz
Lang und still sie hat getragen,
Aber nun verhaucht in Schmerz.
Was sie klagt sind ew'ge Leiden,
Unverstanden, ungefühlt,
Wo die Wellenrosse weiden
Und ihr Huf im Goldsand wühlt.
Ihre Boten, schnelle
Fische,
Ziehn vom Gotthard bis zum Meer,
Und in ew'ger Jugendfrische
Dienen Nixen um sie her.
Aber keine fühlt von allen
Was verschmäht, ihr Herz empfand,
Als sie einst aus ihren Hallen
Den Geliebten fortgesandt.
Längst schon
ist er weggeschwunden,
Längst zerstäubte sein Gebein,
Doch ihr scheinen's wenig Stunden,
Seit sie ihn verlor, zu sein.
Ewig strahlen
ihre Wangen
In der Schönheit holdem Licht,
Ein Jahrtausend ist vergangen,
Aber ihre Liebe nicht.
Drum in traurig
süßer Weise
Atmet ihre Brust Gesang,
Er entwallet sanft und leise
Gleich der Äolsharfe Klang.
Jetzt verhallen ihre Lieder,
Schweigen hüllt die Täler ein,
Und sie tauchet langsam wieder
In den mondbeglänzten Rhein.
RE
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