Glanzvolles Hofleben

Sowohl die größere Sicherheit als auch vor allem die für die Verwaltung des Erzstiftes günstige zentrale Lage der Stadt hatten die Kurfürsten von Trier bewogen, Koblenz seit 1690 zu ihrer dauernden Residenz zu machen.
Jedoch nicht in der Stadt Koblenz selbst hielten sie Hof, der politische und kulturelle Mittelpunkt der Residenz war das Schloß
"Philippsburg" am Fuße des Ehrenbreitsteins, einer der größten und bedeutendsten Barockbauten am Rhein.
Während Koblenz Sitz der Verwaltungsbehörden und des politisch einflußreichen Adels war, entstanden in Ehrenbreitstein in der Hofstraße große Bauten für Regierungsbeamte und Patrizierfamilien. Bald entfaltete sich in dem Städtchen, das mit Koblenz seit 1630 durch eine "Fliegende Brücke" verbunden war, ein glänzendes Hofleben.

Die Zerstörungen, die der Ort durch die Kriege der vergangenen Jahrhunderte erlitten hatte, gaben den Kurfürsten Gelegenheit, den Wiederaufbau nach künstlerischen Gesichtspunkten zu fördern. Der Höhepunkt der Bautätigkeit und der damit verbundenen Förderung der Kunst wurde unter den letzten Kurfürsten, vor allem unter Franz Georg von Schönborn (1729-1756) und Johann Philipp von Walderdorff (1756-1768) erreicht. HB

Hervorragende Architekten und Hofbaumeister

Die Zahl der damals in Ehrenbreitstein tätigen Architekten, Stukkateure, Maler, Bildhauer war groß.
Der erste bedeutende Trierer Hofarchitekt des Barocks, der ab 1671 wirkte, ist Johann Christoph Sebastiani
(t 1704). Von ihm stammt der Umbau des kurfürstlichen Schlosses in Montabaur, der Umbau der Alten Burg in Koblenz und der Neubau des Jesuitenkollegs, des jetzigen Koblenzer Rathauses. Sein Hauptwerk in Ehrenbreitstein ist das Pagenhaus am Aufgang des Festungsweges, das über dem alten Festungspfortenbau errichtet worden war und den Pagen des kurfürstlichen Hofes als Wohnung diente.
Es ist bis auf die Dachkuppel, die sehr viele der Bauwerke Sebastianis auszeichnete, erhalten.

 

Sebastianis Nachfolger war der Fortifikationsdirektor Philipp Joseph Honorius von Ravensteyn, den der kunstliebende Kurfürst Johann von Orsbeck (1676-1711) von auswärts an seinen Hof gezogen hatte, und der auch bei seinem Nachfolger, dem Kurfürsten Karl, Herzog von Lothringen (1711-1715), in hoher Gunst stand.
Zahlreiche Bauten in ganz Kurtrier legen Zeugnis ab von seinem Können; so die Trierer Domschatzkammer oder die Pfarrkirchen von Wittlich und Cochem. Auch die welschen Hauben, die von den Türmen der Koblenzer Liebfrauenkirche das Stadtbild beherrschten, ja geradezu zum Wahrzeichen der Stadt wurden, stammen von ihm.
In Ehrenbreitstein erbaute er an der Stelle des ehemaligen Augustinerklosters 1704-1708 den Zentralbau der Kreuzkirche, die seit 1711 dem Ort, der bisher kirchlich zu Niederberg gehörte, als Pfarrkirche diente. Vor allem aber ist Anlage und Bebauung der
"Hofstraße" sein Werk, die damals die Auffahrt zur Hofhaltung bildete. Unter ihm wurden die meisten an der Rheinseite der Hofstraße gelegenen Gebäude errichtet, die sich noch heute durch ihre schlichte Monumentalität auszeichnen. Ihre Mitte nimmt der 1714 erbaute Bau des Geheimen Rats und Landrentmeisters Coenen ein.

 



In späterer Zeit diente das Coenensche Haus als Sitz der Stadtverwaltung Ehrenbreitstein, als Kommandantenwohnung und Offizierscasino und wiederum als Sitz verschiedener Behörden.
Kurfürst Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg (1716-1729) hatte für die Kunst des schon gealterten und für unmodern geltenden Ravensteyns nicht viel übrig. An seine Stelle trat der Hofzimmermann Johann Georg Judas, eine mehr kraftvolle Künstlernatur, der es verstand, sich vom einfachen Handwerker bis zum kurfürstlichen Hofarchitekten emporzuarbeiten.
Zahlreiche Bürgerhäuser Ehrenbreitsteins stammen von ihm; in Trier war er an den Restaurationsarbeiten von Dom und alter Moselbrücke sowie in Prüm an denen der Abteikirche beteiligt.
HB

Balthasar Neumann in Ehrenbreitstein

Zu großer Blüte entfaltete sich das künstlerische Schaffen in der Residenz unter Kurfürst Franz Georg von Schönborn (1729-1756).
Aus Würzburg, wo sein Bruder Johann Philipp Franz Fürstbischof war, ließ er sich dessen Baumeister kommen, Balthasar Neumann
(
1687-1753), einen der bedeutendsten Baukünstler der Barockzeit, der dort u. a. das Residenzschloß, die Schönbornkapelle, die Hofkirche, das Käppele, und in Mainfranken die Kirchen zu Vierzehnheiligen und Neresheim erbaut hatte. Zeugen seines Schaffens findet man vom oberen Main bis Trier, vom Bodensee bis Köln, von Bruchsal bis Wien. In Trier schuf er die Paulinuskirche, in Prüm entstand nach seinen Plänen das große Bauwerk der Abtei.
Da Neumann auch ein bedeutender Festungsbaumeister war, übertrug ihm der Kurfürst zunächst die Anlage neuer Bollwerke auf dem Ehrenbreitstein, die sogenannten "Schönbornwerke", die wesentlich zur Verstärkung der Festung beitrugen.
In der Stadt Ehrenbreitstein ist sein Hauptwerk der "Dikasterialbau", jenes dem Bahnhof gegenüberliegende Gebäude, das nach seinen Plänen 1739-1748 entstand, und zur Aufnahme der kurfürstlichen Regierungsbehörden diente. Der von Balthasar Neumann hier eingeführte geschweifte und gebrochene fränkische Giebel ist das Vorbild für viele Giebel an Bürgerhäusern in Ehrenbreitstein und Koblenz geworden.

 



In Koblenz plante er an der Löhrstraße das Freiherr von Hohenfeldsche Haus, ein beachtenswertes Palais, das leider 1944 vollständig zerstört worden ist. Als der Kurfürst den in der Gemarkung Kesselheim gelegenen Hof der Grafen von Metternich ankaufte, um an seiner Stelle ein prachtvolles Schloß
"Schönbornslust" zu errichten, hatte Balthasar Neumann erneut die Bauleitung.
Schönbornslust gehörte zu dem Großartigsten, was der Barock in Europa hervorgebracht hat und stand den anderen Residenzbauten Balthasar Neumanns in Würzburg und Bruchsal nicht nach. 1752 vollendet, war es das letzte Werk Balthasar Neumanns.
Als leitender Architekt wirkte Johannes Seiz, Neumanns talentierter Schüler.

Johannes Seiz (1717-1779) hat den von Neumann entworfenen Dikasterialbau ausgeführt. Es ist bekannt, daß ein großer Teil der erhaltenen Pläne, obwohl von Balthasar Neumann signiert, von Seiz gezeichnet wurde.

 



Auch der 1762/1763 errichtete kurfürstliche Marstall (die spätere Trainkaserne) ist sein Werk, in dessen architektonischem Aufbau eine mehr akademische Kunst, anders als bei seinen sonstigen Bauten, in Erscheinung tritt. Bemerkenswert ist das Portal, das von einer mit drei Bildwerken geschmückten Attika gekrönt wird - die Hauptgruppe stellt ein sich wild aufbäumendes Pferd mit seinem Bändiger dar.
Mit solchen Bauten und den damit harmonierenden Bürgerhäusern bot die damals frei am Strom liegende Residenz einen prächtigen Anblick. Der große Komplex der Residenzbauten, die sich von der Philippsburg über Pagerie, Dikasterialbau und Marstall mit den sich am Rhein erstreckenden Gartenanlagen und den Fontänen der Wasserkünste bis an den kleinen Hafen zogen, in dem die kurfürstliche Yacht lag und über den eine kleine Brücke in den Ort führte, gaben ihm jenes Gepräge, das einem feudalen Hofleben entsprach, während die Festung beredt auf die Macht des Landesherrn hinwies.
HB